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REPORTAGEN

Aus der Hölle vor die Kamera! Der ungewöhnliche Weg eines hübschen Mischlings

Als Stefan das Mischlingsmädchen Tilly das erste Mal sah, konnte er kaum erkennen, dass er einen Hund vor sich hatte. „Ich begleitete als Fotograf in Ungarn zwei sehr nette Set-Hunter einer Filmfirma, die nach geeigneten Drehorten für ein Projekt suchten. Ich mag diesen Job, weil man viel zu sehen bekommt und die Arbeit leicht ist, da man genau gesagt bekommt, was man wann wo fotografieren soll und die Motive üblicherweise Gebäude oder Landschaften sind, die man in aller Ruhe ablichten kann.

Als wir an dem entlegenen Bauernhof ankamen, war es sehr schnell offensichtlich, dass der einzige Grund, warum man uns eingeladen hatte, der war, dass sich das Ehepaar, das den Hof betrieb, mächtig viel Geld von der Filmfirma erhoffte. Die Anlage stellte sich tatsächlich optisch als hervorragend heraus, weil kein Set-Designer das Thema „heruntergekommener Bauernhof“ so perfekt hätte bauen können. Aber es war gruselig, sich alles anzusehen und zu fotografieren, und schnell war klar, dass man mit diesen Leuten nicht nur nichts zu tun haben wollte, sondern dass wir sie auch den Behörden melden würden. Die Tiere, die auf diesem Hof lebten, vegetierten am Rande des Todes vor sich hin. Verkommen, mit Parasiten übersäht, abgemagert, eindeutig krank – egal ob Kuh, Esel oder Geflügel …

Wir taten trotzdem, als wäre alles bestens, weil uns die Leute einfach nicht geheuer waren. Beim Abschied sah ich vom Haupthaus aus neben dem Stall eine halb zerfallene Hundehütte und davor saß ein kleiner Hund, der mit einer für ihn viel zu schweren Kette festgemacht war. Als die Frau sah, wohin mein Blick ging, meinte sie abfällig: „Die hat es bald hinter sich. Ein Fresser weniger. Wundert mich, dass sie noch lebt. “Ich ging zu dem restlos verfilzten Fellbündel, und sie stand da einfach nur und sah mich an. Wie mager sie war, konnte man unter den Filzplatten nur erahnen, aber sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ich machte ein Foto von ihr. Sie setzte sich und sah mich weiter an. Ganz still …

Ohne mich umzudrehen, rief ich der Frau mit erstaunlich ruhiger Stimme zu: „Wie viel?“ Sie lachte ein fieses Lachen und nannte mir eine Summe, die für ein fast totes Tier eigentlich unverschämt war. Ich ging trotzdem zu ihr, gab ihr das Geld. Sie machte den Hund los. Als ich den Winzling hochhob und feststellte, dass er kaum etwas wog, schluckte ich, aber ich hielt meine Tränen zurück, bis wir alle wieder im Wagen saßen und den Hof verlassen hatten. Keiner von uns sagte etwas, aber unser erster Weg führte uns zurück in die Hauptstadt, in der wir untergekommen waren, zu einem Tierarzt, der sich rührend um Tilly kümmerte. Das Fell wurde samt der Parasiten darin abgeschoren, sie wurde gewaschen und über Injektionen mit dem Notwendigsten versorgt. Tilly überlebte und wurde zu einem bildhübschen, wohl genährten Mischlingsmädchen. Dieses kleine, unglaublich verkuschelte Wesen hat seitdem jede Nacht in meinem Bett verbracht, und es ist mir egal, was andere davon halten.

Sie ist heute in meiner Freizeit mein liebstes Fotomotiv und genießt die ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie hat sich wunderbar erholt und ich liebe sie von Herzen. Gegen die Besitzer des Hofes wurde leider durch die Behörden nichts unternommen. Aber eine Gruppe überaus aktiver ungarischer Tierschützer hat sich der Sache inzwischen angenommen – und die verstehen keinen Spaß …“

Fotos: Ysbrand Cosijn, Maksim Fesenko – shutterstock.com

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