Sind die Wartezeiten kundenunfreundlich oder sogar Fake? Das aktuelle Streit-Thema des Monats, mit Pro- und Kontra-Statements von Tattoo-Fans. Schon im Magazin widmen wir uns immer wieder szenebekannten und oft besprochenen Streit-Themen. Hierbei halfen uns die beiden Besucher der letzten Tattoo-Convenion in Wuppertal. Wir haben sie dabei gleich zu unterschiedlichen Themen befragt. In diesem Beitrag streiten die beiden über das Thema Wartezeiten in Tattoo-Studios.
Kommt ein Kunde in ein Tattoostudio und fragt: »Kann ich bitte eine Rose tätowiert haben, wenn’s geht bitte jetzt sofort. Meine Freundin wartet draußen und wir wollen gleich noch ins Kino?« Darauf der Tätowierer: »Ja klar, setzt dich. Das mache ich natürlich sofort. Ich hab’ mir schon gedacht, dass heute jemand spontan nach einer individuellen Rose fragt und da bin ich gestern Nacht noch aufgeblieben und hab bis in die Morgenstunden gezeichnet. Ich steche dir das natürlich kostenlos.« Der Kunde ein wenig gereizt-irritiert: »Sagt mal, willst du mich verarschen?« Und darauf der Tätowierer: »Wer hat denn mit dem Scheiß angefangen?
Wahrscheinlich hat es genau solche Gespräche bereits in deutschen Tattoostudios gegeben. Dass viele Tattoofans und Kunden aber mit Unverständnis auf die unglaublichen Wartelisten mancher Tätowierer reagieren, ist genauso verständlich. Angefangen haben diese Wartezeiten zum einen mit dem Hype um die TV-Serie Miami-Ink und zum anderen durch mehrere außergewöhnliche Tattoo-Künstler in Deutschland. Das war ca. 2005 bis 2006. Realistik-Spezialisten hatten damals die Qualität dieser Stilrichtung auf eine völlig neue Ebene gehoben und damit natürlich auch Fans und Kunden aus ganz Europa angezogen. Das hatte zur Folge, dass Wartelisten von bis zu zwei Jahren entstanden.
Tattoo-Spirit: Vielen Dank an euch zwei, dass ihr euch auch für das zweite Streitthema Zeit genommen habt. Wie seht ihr die Problematik mit den langen Wartezeiten.
Niklas: Ganz ehrlich? Ich halte viele der gemachten Angaben für absoluten Fake. Ich glaube bei vielen Tätowierern einfach nicht, dass sie Wartezeiten von mehreren Jahren haben. Ich bin davon überzeugt, dass sie das nur als Marketing-Gag benutzen.
Daniel: Und wie soll das bitte ein Marketing Gag sein? Da treten sie sich doch selbst gegen das eigene Knie.
Niklas: Ja und nein. Ich war bereits persönlich in Studios, die angegeben haben, dass ihre Wartezeiten ca. ein Jahr betragen und dass sie restlos ausgebucht sind. Als ich dann im Studio vorbeischaute, saßen da fünf Tätowierer und spielten alle mit ihren Smartphones. Diese Studios wollen die Wartezeiten als eine Art Qualitäts-Siegel missbrauchen. Wer lange Wartezeiten hat, der muss ja gut sein, weil so unglaublich viele Kunden ein Tattoo von ihm haben wollen. Das ist natürlich Lug und Betrug am Kunden.
Daniel: Aber es bleibt die Tatsache, dass sich solche Studios selbst schaden, weil, die Wartezeiten Kunden auch abschrecken. Natürlich gibt es in jeder Branche schwarze Schafe, aber in der Tattoo-Szene sind solche Handlungen doch wohl eher die Ausnahme.
Niklas: Also schwarze Schafe gibt es richtigerweise immer, besonders dort, wo man viel Geld verdienen kann. Dass diese Wartezeiten auch Kunden abschrecken, dass kalkulieren diese Studios meiner Meinung nach mit ein. Ihnen ist der kurzfristige Ruhm oder eine entsprechende Anerkennung wichtiger, als der korrekte Umgang mit den Kunden.
Daniel: Und wie soll deiner Meinung nach ein richtiger Umgang aussehen? Die Tattoo-Studios können doch schließlich nicht irgendwelche Terminkalender ins Netz stellen.
Niklas: Nein, natürlich nicht. Aber sie können die Verfahren der Terminvergabe ändern. Es gibt immer mehr Studios, die maximal für ein halbes Jahr im voraus planen und anscheinend macht dieses System gerade bundesweit Schule. Jedes Mal, wenn ich in den sozialen Netzwerken unterwegs bin, lese ich von irgendwelchen Studios XY die demnächst ihre Anmeldetage für das nächste Halbjahr haben. Das finde ich gut. Zudem bieten auch immer mehr Studios einzelne Tage für Tattoos ohne Termin an. Hier denken die Tätowierer ebenfalls an ihre Kunden.
Daniel: Aber der Trend mit Tattoos ist ja immer noch ungebrochen und damit steigen doch auch die Wartezeiten.
Niklas: Das ist leider nicht ganz richtig. Ich habe mehrere umfangreiche Artikel gelesen, die aufzeigen, dass es inzwischen sogar ein Überangebot an Studios gibt. Tattooläden sind ja in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen und selbst bei uns in Düsseldorf gibt es schon fast mehr Tattoo-Studios als Kneipen. Das Traurige ist nur, dass es inzwischen auch so viele schlechte Studios gibt, die das schnelle Geld gerochen hatten und jetzt mit dubiosen Angaben zu Wartezeiten Kunden locken. Die richtig guten Tätowierer, die haben natürlich nach wie vor viel zu tun.
Daniel: Eben, und die haben dann tatsächlich so lange Wartezeiten.
Niklas: Oder ändern ihre Terminvergabe in einen sinnvollen und kundenfreundlichen Ablauf.