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Streit-Thema des Monats: Hass-Liebe Trend-Tattoo

Foto: Cara-Foto, shutterstock.com

Sind Mode-Motive eher Fluch oder doch Segen? Das aktuelle Streit-Thema des Monats, mit Pro- und Kontra-Statements von Tattoo-Fans. – Die Welt der Tätowierungen bringt immerzu neue Motiv­arten und Stile ans Licht. Manche davon finden so viele Nachahmer, dass sich dadurch ein regelrechtes Massenphänomen entwickelt. Die Rede ist von sogenannten Trends. Dabei sind die Meinungen der Tattoo-Fans bei diesem Thema durchaus geteilt. Die einen finden sie inspirierend und sind überzeugt, dass Trends in der Vergangenheit maßgeblich für die überaus positive Entwicklung der Szene verantwortlich sind. Die anderen hingegen empfinden sie als kreative Vollbremsung und fürchten den Sieg von Kommerz über Kunst.

Die große Online Enzyklopedie Wikipedia beschreibt das Wort Trend wie folgt: „Ein Trend (von engl. to trend ‚in einer bestimmten Richtung verlaufen‘ bzw. ‚drehen‘ oder ‚wenden’) ist ein Instrument zur Beschreibung von Veränderungen und Strömungen in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Beschreibung und die Randbedingungen erlauben eine Aussage über die zukünftige Entwicklung. Trends sind beobachtbar, im soziologischen Kontext aber nur schwer messbar. Ihr weiterer Verlauf lässt sich meistens genähert abschätzen, aber nur teilweise beeinflussen. Trends im Verhalten oder bei Produkten werden oft durch die Meinungsforschung erfasst. Sie sind durch Werbung und Trendsetter beeinflussbar und haben entscheidende Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Verbraucher oder das Bevorzugen gewisser Mode-Erscheinungen im sozialen und Freizeitbereich.“

Die Frage, die sich viele in der Tattoo-Szene schon seit Jahren stellen, ist: „Sind Trends in der Tattoo-Szene begrüßenswert oder schlicht weg zu verteufeln?“ Für die einen sind Trend-Motive willkommene Inspiration, für die anderen der Tod von Kreativität und Individualität. Wir haben uns auf der letzten Tattoo-Convention in Wuppertal mit zwei Besuchern über dieses Thema ausführlich unterhalten. Niklas aus Düsseldorf und Daniel aus Wuppertal haben zum Thema Trends nämlich sehr unterschiedliche Meinungen.

Tattoo-Spirit: Zunächst einmal vielen Dank, dass ihr beide euch die Zeit für dieses Interview genommen habt. Die heutige Frage beschäftigt sich mit den sogenannten Trend-Tattoos und damit, ob sie Fluch oder Segen für die Szene sind. Niklas fang du doch bitte mal an.
Niklas: Also ich möchte da ganz ehrlich sein – Trend-Motive sind einfach Scheiße. Es kann und darf einfach nicht sein, dass Tätowierungen zu einer Massenware werden und die Kreativität auf der Strecke bleibt.
Daniel: Naja, die Tattoo-Massenware zu verhindern, dafür ist es wahrscheinlich schon etliche Jahre zu spät. Trend-Tattoos gab es ja schon immer und es wird sie auch immer wieder geben.

Niklas: Nein, es gab sie eben nicht immer. Früher ging man in ein Studio und konnte sich aus verschiedenen Mappen ein Motiv aussuchen, basta. Da ging niemand in ein Studio und fragte nach Federn oder Traumfängern mit Kompass, etc.
Daniel: Aber damals gab es dadurch auch nicht so viel Kreativität. Es ist ja heute nicht so, als wären alle Kompass-Motive absolut identisch. Nahezu jeder Tätowierer bringt doch seinen eigenen Stil und vielleicht noch unterschiedliche Elemente mit ein.
Niklas: Das ist zum Glück richtig. Nur finde ich, dass einfach zu viele Kunden zu einem Tätowierer gehen und sich ein Motiv stechen lassen, nur weil es vielleicht Trend ist, ohne etwas über die eventuelle Bedeutung zu wissen. Das kann einfach nicht richtig sein.
Daniel: Aber es ist doch die Entscheidung des Kunden. Der Tätowierer hat doch immer noch die Möglichkeit das Motiv abzulehnen. Wenn er das nicht tut, braucht er sich auch nicht beschweren.
Niklas: Um diese Fälle geht es mir nicht. Ich kenne Tätowierer, die könnten kotzen, weil täglich etliche Kunden mit identischen Motiv-Wünschen in den Laden kommen.
Daniel: Für mich ist das ganz klar: Jammern auf allerhöchstem Niveau. Früher haben genau diese Tätowierer geschimpft, weil die gesellschaftliche Akzeptanz noch nicht so war wie heute. Und jetzt, wo sich dieser Wandel vollzogen hat, sind sie wieder nicht zufrieden.
Niklas: Das ist nicht das Problem – es ist das Tattoo als unüberlegte Massenware. Das bereitet mir Kopfschmerzen. Trend-Motive töten die Seele des Tattoos.

Daniel: Das heißt also, Spaß-Tattoos, Schmucktattoos und auch Tattoos mit sehr tiefer persönlicher Bedeutung, die aber das Pech haben gerade als Trend-Motiv verteufelt zu werden, sollten alle verboten werden? Über wie viele Motive sprechen wir hier, 70, 80 Prozent aller Tattoos?
Niklas: Das ist doch Quatsch, du weißt doch was ich sagen will. Ich bin einfach der festen Überzeugung, dass eine Tätowierung einem gewissen Prozess folgen sollte. Erst überlegen, dann individualisieren und erst dann stechen lassen.
Daniel: Die Kriterien finde ich bestenfalls wünschenswert, aber sie können doch keine Bedingung darstellen. Was soll denn deiner Meinung nach dafür sorgen – ein Tattoo-Führerschein? Man muss den Leuten einfach erlauben Trends zu folgen. Ich kenne die Trend-Motive schon seit Ewigkeiten. Steißtribal, Sterne, Delfine, La Catrina, Federn, Schwalben, Kompass, Underboob. Die Liste wird wahrscheinlich auf ewig so weitergehen. Ein Tätowierer wird an der Nachfrage für Trend-Motive ebensowenig ändern können wie an den Fragen nach einem Preis für ein Tattoo oder ob es weh tut.

Niklas: Das ist leider wahr. Aber dennoch kann das ja nicht uneingeschränkt erstrebenswert sein, oder?
Daniel: Nein, natürlich nicht. In diesem Punkt stimme ich dir absolut zu. Nur wenn man sich allein die vergangenen zwei Jahr anschaut, dann erkennt man, dass man Trends eben nicht verhindern, sondern sich nur mit ihnen arrangieren kann. Ich kenne kaum ein Studio, das nicht mindestens einen Deadpool, Joker oder ein Watercolor Tattoo im Portfolio hat. Hier bestimmt dann doch die Nachfrage das Angebot.
Niklas: Ich kenne ebensoviele Studios, die sich ganz strikt und auch erfolgreich gegen diese Massen-Motive stellen. Sie müssen aber so vielen neuen Kunden immer wieder von diesen Tattoos abraten und ihnen etwas individuelles empfehlen.

Daniel: Aber ist das nicht sowieso die Aufgabe eines jedem Tätowierers?
Niklas: Jein. Informierte Kunden kommen ja schon mit einem konkreten Wunsch oder mit der direkten Bitte um ein Unikat. Diese Tätowierer haben dann weniger Arbeit mit dem Ausreden von Trend-Motiven und können sich viel mehr ihrer Kreativität widmen.

Daniel: Da eine Mehrheit der Tattoo-Interessierten wahrscheinlich einfach keine Übersicht über die vielen Möglichkeiten haben, ist es für sie einfacher und erfolgversprechender, wenn sie sich durch andere inspirieren lassen, ergo: eine Gruppe oder zum Beispiel durch die Medien. Darüber hinaus sollten Tätowierer, die keine Trend-Motive stechen wollen, einfach mehr Geduld und Verständnis für ihre Kunden aufbringen. Ich habe schon mehrfach, z.B. auf Conventions erlebt, dass Kunden von Tätowierern angeschnauzt wurden, weil sie nach Federn, Schwalben oder anderen Motiven gefragt haben. Dann wurde da richtig rumgebrüllt: „So eine Scheiße tätowier‘ ich nicht, belästige mich gefälligst nicht mit so einem Mist.“ Da muss ich dann ehrlich sagen, dass solche Tätowierer lieber den Beruf wechseln sollten, denn bei aller Kunst, ist es doch immer noch so, dass hier am und mit dem Menschen gearbeitet wird und das sollte höflich und respektvoll geschehen.

Niklas: Ja, kenn‘ ich leider auch. Aber man muss ja auch den Tätowierer ein wenig verstehen. Ein Tattoo sollte nunmal sehr gut überlegt sein.
Daniel: Das weiß aber der Kunde manchmal nicht.
Niklas: Sowas weiß man doch. Das steht in jedem Tattoo-Magazin, überall im Internet …
Daniel: Muss man wochenlang im Internet und in Fachmagazinen recherchieren, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen, oder kann man auch einfach zum Elektronikfachhandel gehen und sich dort beraten und alles Wichtige erklären lassen und auf das Fachwissen des Verkäufers vertrauen?

Niklas: Okay, das stimmt natürlich.
Daniel: Viele Leute wissen einfach nicht, wie und wo sie sich informieren können und somit vertrauen sie auf die Meinung des Tätowierers und gehen ohne vorherige Suche direkt ins Tattoostudio. Das ist vielleicht nicht das Gelbe vom Ei, aber die meisten Leute machen das eben so.
Niklas: Na, das stimmt wahrscheinlich. Vielleicht können wir uns ja darauf einigen, dass Trends sicherlich auch zur Weiterentwicklung der Tattoo-Szene beigetragen haben, sie nicht immer vermeidbar sind aber die individuellen Unikate, fernab von Massen-Motiven dann doch eher die wünschenswerte Variante sind?
Daniel: Ja, da stimme ich absolut mit dir überein 🙂

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