Ein kleines verträumtes Nest, vierzig Kilometer vor den Toren Berlins. Biesenthal ist ein beschaulicher und vor allem überschaubarer Ort, einzuordnen irgendwo zwischen den Blue Ridge Mountains der Waltons und Walnut Grove aus „Unsere kleine Farm“. Biesenthal ist vielleicht kein Schauplatz für eine TV-Serie, doch in dem 5.000-Seelen Ort gibt es etwas recht Besonderes: Hier steht das House of Paint, ein Tattoo-Studio, das mit den Arbeiten von Tätowierer Sven nicht nur im näheren Umfeld für Aufsehen sorgt.
Bei dem Versuch, einer chronologisch richtigen Reihenfolge der Ereignisse den nötigen Respekt zu zollen, gehen wir ein wenig in die Vergangenheit zurück, dorthin, wo alles begann. In der Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung lebte Sven im Osten und verdiente nebenbei ein wenig Geld mit dem Gestalten von T-Shirts. Ausgefallene Motive gab es ja damals nur im Westen, daher waren die Shirts des mit viel zeichnerischem Talent ausgestatteten Sven ziemlich gefragt. Mit der Mauer jedoch fiel auch sein T-Shirt-Markt, denn von nun an sollte es alles schnell, einfach und günstig geben. Es war die Zeit des Umbruchs, für viele sicherlich nicht leicht und voller großer aber auch schwieriger Abenteuer. Der Besuch eines Harley Treffens war es schließlich, der Sven zum ersten Mal mit dem Thema Tätowieren in Verbindung brachte. Sofort Feuer und Flamme, machte er sich schon kurz darauf auf, um das Tätowierhandwerk in langer mühsamer Arbeit zu erlernen. Freunde, die selbst als Gasttätowierer in unterschiedlichsten Studios arbeiteten, brachten von dort viel Fachwissen mit und gaben dies stets an Sven weiter. Hierdurch entwickelte er sich sehr schnell und war daher 1994 bereit für sein erstes Studio. Voller Stolz über seine eigene Selb-ständigkeit tätowierte er von nun an die unterschiedlichsten Stilrichtungen auf einer stetig wachsenden Anzahl von Kundenhaut.
Zum Thema Vorbilder hält sich Sven bewußt zurück. Zwar gab es für ihn immer wieder berufliche Idole, wie zum Beispiel Paul Booth oder Filip Leu, aber obwohl er ein Faible für böse Motive hat und ihn asiatische Tätowierungen stets faszinieren, wurden diese Stilrichtungen nie zu seinem Steckenpferd. Er selbst möchte sich viel lieber als Allrounder sehen, als jemanden, der nahezu alle Motivarten stechen kann und dem Kunden hierbei die bestmögliche Qualität bietet. „Auch derjenige, der vielleicht nur ein kleines Kanji-Symbol haben möchte, verdient es, daß ich mein Bestes gebe, denn für ihn ist diese wenn auch kleine Tätowierung wirklich sehr bedeutungsvoll.“
Sven erkannte schon früh, daß der Beruf des Tätowierers ein stetes Streben nach Entwicklung erfordert und Stillstand einem Rückschritt gleichkommt. „An einer von mir gestochenen Tätowierung ziehe ich mich nicht hoch, auch wenn sie mir noch so gut gefällt. Ich denke immer daran, was ich noch hätte besser machen können und an das, was ich bei der nächsten Tätowierung besser machen werde.“ Sven hat sich in der Vergangenheit einen guten Ruf erarbeitet, und ihm ist bewußt, daß die Kunden, die von weit her zu ihm ins Studio kommen, von ihm erwarten, daß er diesem Ruf gerecht wird. Und so kniet sich Sven bei jeder neuen Tätowierung voll und ganz in die Arbeit hinein.
Mit asiatischen Motiven befaßt er sich immer öfter, denn ihm ist dieser Stil sehr angenehm, wie er selbst sagt, und die vielseitigen Kombinationsmöglichkeiten und unendlich erscheinenden Hintergrundgeschichten machen diese Motiv-Art für Sven zu etwas Besonderem. Je mehr er sich mit dieser Thematik befaßt, desto mehr gefällt sie ihm. Doch wie bereits zuvor erwähnt, möchte er die asiatischen Tattoos als Allrounder nicht allzu sehr in den Vordergrund stellen. Obwohl sich Sven die meiste Zeit über in seinem Studio House of Paint in Biesenthal aufhält, sich auf Conventions eher selten blicken läßt und sich auch als Gasttätowierer in anderen Studios eher rar macht, ist er doch ein paarmal im Jahr auf Reisen. Ein Studio-Ziel ist dabei immer wieder das Elektrik Revolver in Braunschweig. Er genießt diesen gelegentlichen Tapetenwechsel, den Ausbruch aus dem Studioalltag, vor allem aber den Austausch mit Kollegen und kehrt jedes Mal mit einem großen imaginären Sack voller Inspiration nach Hause zurück. Seien es nun diese Gast-Einflüsse, neue Farbgewalt aus Übersee oder etwa filigrane Tattoo-Kompositionen aus Fernost, Sven nimmt all das auf und interpretiert es in seinem eigenen Tattoostil für sich und den Kunden neu.
Auch wenn sich seine berufliche Laufbahn ungewöhnlich schnell entwickelt hat, er auf eine Vielzahl an hoch zufriedenen Stammkunden zurückblicken kann und zudem über viele Jahre ein großes Fachwissen angesammelt hat, so vergißt er dennoch nie seine Wurzeln. Und so ist er dem Zeichnen stets treu geblieben. Auch wenn er aufgrund der vielen Arbeit nicht permanent an neuen Vorlagen arbeitet, sondern sich seiner Zeichenleidenschaft nur phasenweise hingibt, so hat er doch immerhin schon sein erstes, eigenes Sketchbook fertiggestellt. Sein künstlerisches Streben geht sogar soweit, daß er sich ganz anderen Medien widmet als nur der menschlichen Haut oder dem Zeichenpapier. Seit Neuestem baut Sven Tätowiermaschinen aus Holz – richtig gelesen – aus Holz. Diese Holzmaschinen laufen sogar richtig gut, sind dann aber doch eher für den Sammler gedacht.
Mit seiner Lebensgefährtin Nadine, die im Studio die Piercing-Fans betreut, an seiner Seite, bietet Tätowierer Sven Körperkunst in allen nur denkbaren Variationen und Stilrichtungen. ‘Geht nicht’ gibt es hier im House of Paint so gut wie nie; alles findet in einer Qualität und Atmosphäre statt, die stets zum Wiederkommen einladen. Selten haben wir einen Tätowierer vorgestellt, dessen Motiv-Spektrum derart breit gefächert war, und selten hat das Betrachten diverser Studioarbeiten so viel Lust auf mehr gemacht wie hier im House of Paint. Wer hier eine freundliche Stimmung, tollen Service und erstklassige Tätowierungen vermutet, ist an der absolut richtigen Adresse. Davon sind wir überzeugt.