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Bloody Blue – Prag

Selbst in den unterschiedlichen Tattoo-Kategorien findet man sehr viele Einflüsse realistischer Tätowierungen. Wie in jeder Ausgabe des Tattoo-Spirit wollen wir mit euch zusammen auch diesmal ein wenig über den tätowierten Tellerrand schauen, Arbeiten anderer Künstler aus anderen Ländern betrachten und uns einen dicken Batzen Inspiration holen. Zu diesem Zweck richten wir in dieser Ausgabe des Tattoo-Spirit unseren geschulten Blick nach Osteuropa und zwar auf das Studio Bloody Blue in Prag. Ivo, Zhivko, Gonzo, Marko, Richard und Pornstar – gleich sechs erstklassige Nadelakrobaten zusammen unter einer einzigen Studiofahne. Das ist doch mal was anderes: Spaß bei der Wahl der wichtigsten Fragen an die Tätowierer und eine absolute Katastrophe bei der Bildauswahl. Welche Tattoos sollten wir bloß von welchem Künstler präsentieren? Das Team von Bloody Blue schien so etwas wohl geahnt zu haben und schickte daher als Best Of freundlicherweise eine große Bildauswahl. Dabei ist die Bezeichnung „Best Of“ bei Bloody Blue absoluter Quatsch, denn bei den Tätowierungen dieses Studios jagt ein Knaller den nächsten. Daß die sechs Jungs aus Prag zudem noch sehr interessante Interviewpartner sind, lest ihr hier:

Red.: Das komplette Team von Bloody Blue scheint sich von allen Stilrichtungen am liebsten mit den sogenannten Realistics zu beschäftigen. Selbst in den unterschiedlichen Tattoo-Kategorien findet man sehr viele Einflüsse realistischer Tätowierungen, wie zum Beispiel dreidimensionale Linien und realistische Schatten in Tribal-Motiven. Was fasziniert euch am meisten an der Stilrichtung der realistischen Tätowierungen?
Bloody Blue: Wir sind ganz klar der Meinung, daß Realistic zu den schwierigsten Tätowierungen gehören. Jedesmal, wenn du das Ergebnis derartiger Tattoos siehst, pushed es dich weiter nach vorn. Für uns sind diese Arbeiten nicht einfach nur Tattoos, es ist schon ein wenig Kunst mit im Spiel. Wenn du ein Realistic-Tattoo erstellst, kannst du Leben, Bewegung und noch so viel mehr in diese Arbeit integrieren. Hinzu kommt unserer Meinung nach folgendes: Für jeden, der gute realistische Tattoos beherrscht, ist es wesentlich einfacher, ein minimalistisches Design für zB. Old- oder New-School Tattoos zu zeichnen.

Red.: Fördert die Arbeit in einer derart großen Gruppe eure Kreativität, und wie sieht ein normaler Arbeitstag im Studio aus?
Bloody Blue: Absolut. Wir alle lernen ständig voneinander. Wir sprechen stets über Designs, Tattoos, wir betrachten unsere Arbeiten gegenseitig sehr kritisch und versuchen, gemeinsam herauszufinden, wo wir die Motive noch weiter verbessern können. Wir besprechen unsere Arbeiten sehr oft, wie sie aussehen könnten, wenn eventuelle Veränderungen vorgenommen würden. Unser Arbeitsalltag im Studio sieht wahrscheinlich nicht anders aus als in den meisten anderen Studios auch. Arbeitsvorbereitungen, Studiohygiene, Sterilisation des Arbeitsmaterials und so weiter gehören natürlich zu unserem Alltag. Ansonsten arbeiten wir eben den ganzen Tag. Manchmal gehen wir abends alle zusammen aus und trinken das eine oder andere Bier. Dabei geht es eigentlich auch immer um das Thema Tattoos. Wir sprechen über die Arbeiten, die wir tagsüber geschafft haben, was wir am nächsten Tag alles schaffen müssen, wir unterhalten uns über neue Zeichnungen für Kunden. Eigentlich dreht sich bei uns immer alles um Tattoo, Designs und Malerei.
Red.: Die Tattoo-Szene in Osteuropa wächst unglaublich schnell, und es scheint, als kämen überdurchschnittlich mehr Talente von hier als aus vielen anderen Ländern. Woran liegt das? Hat dies etwas mit der großen Kunstkultur dieser Länder zu tun?
Bloody Blue: Mit Sicherheit. Es ist schon richtig, daß die Szene in Osteuropa sehr schnell wächst. Wahrscheinlich liegt es aber einfach nur daran, daß Tattoos hier erst sehr spät angekommen sind und die Leute das Gefühl haben, sie müßten die verlorene Zeit einholen.

Red.: Die meisten Arbeiten von euch haben mehr mit Kunst als mit klassischen Tätowierungen zu tun. Nun ist es natürlich schwer vorstellbar, daß jemand einfach mit den Fingern schnippt und über Nacht ein hervorragender Tätowierer wird. Was habt ihr gemacht, bevor ihr euch für eine Tattoo-Karriere entschieden habt?
Bloody Blue: Einige von uns haben natürlich Kunst studiert, andere viele Zeichenkurse absolviert. Aber wir haben im Grunde genommen alle schon während unserer Schulzeit oder kurz danach mit Tattoos angefangen. Es scheint wohl so, als wären wir zum Tätowieren geboren worden. Nein, wir haben alle irgendwann einfach angefangen, und es gibt keine Art von Magie hinter unseren Tattoos, einfach nur jahrelanges studieren und viel harte Arbeit.
Red.: Die meisten Studios in Deutschland haben einen oder maximal zwei Tätowierer. Wie ist es dazu gekommen, daß im Bloody Blue-Studio so viele Künstler arbeiten, und wie wurde die Idee eines Studios in dieser Konstellation geboren?
Bloody Blue: Tja… das ist einfach so passiert. Ivo kam 1998 nach Tschechien und arbeitete bis 2002 in verschiedenen Studios. Hier irgendwo muß diese Idee wohl geboren worden sein, die Idee von einem Studio, daß nicht so kommerziell ist; die Idee von einem Platz, der einfach mehr bietet, wo alle Tätowierer und auch Kunden Tattoos als Kunst ansehen, ein Ort, wo Tätowierer zusammen lernen und sich gegenseitig helfen, wo sie nicht nur für ein Studio arbeiten, sondern ein Teil davon sind. Kick ass crew, you know? Es war nie mit dieser Anzahl an Kollegen geplant, aber es ist wirklich cool. Jeder bringt seinen eigenen Stil und seine Sicht der Dinge mit ein. Wenn du irgendwann wirklich mal an einer Stelle nicht weiterkommst, dann ist da immer jemand, der dir neue Inspiration, neue Ideen gibt. Es ist wirklich gut, sich seine eigenen Arbeiten mit einem anderen Künstler anzusehen und auf seine Kritik zu hören, und wir haben ja das Studio voller Künstler. Es ist also wirklich gut, aber glaubt uns: Manchmal kann es auch ein wenig schwer sein.
Red.: Einerseits erklärt in Deutschland die Boulevard-Presse Tattoos als eine Art Body-Fashion, also als Teil einer Mode und somit zu etwas im Grunde genommen „Normalem“. Andererseits werden stark Tätowierte immer noch mit gemischten Gefühlen angesehen. Viele Leute können nicht aufhören, jemandem mit zum Beispiel großem Rückentattoo anzustarren, als käme er von einem anderen Planeten. Demnach ist das Thema Toleranz noch nicht in alle Teile unsere Landes vorgedrungen. Wie ist es in Tschechien, tätowiert oder Tätowierer zu sein?

Bloody Blue: Einige Jahre zuvor dachten die Leute noch, man sei ein Krimineller, wenn man tätowiert war. Mittlerweile ist die Situation natürlich eine vollkommen andere. Die Leute haben erkannt, daß es mit Tattoos etwas anderes auf sich hat, und du kannst sie, wenn meist auch nur ein wenig kleiner, heute eigentlich überall sehen. Die älteren Generationen haben natürlich nach wie vor ihre Probleme damit. Aber mal ehrlich, wenn du einen komplett tätowierten Arm bekommst, sollte es dir eigentlich egal sein, ob die Leute starren, auch dann, wenn es ab und zu ohne Frage störend sein sollte.
Red.: Bestimmt habt auch ihr ein paar Vorbilder und Tätowierer, die eure Arbeiten beeinflußt haben. Wir wollen Namen!
Bloody Blue: Hier also ein paar Namen: Robert Hernandez, Boris aus Ungarn, Paul Booth, Bob Tyrell, Nick Baxter, Guy Aitchison, Kore Flatmo. Da gibt es bestimmt noch so viele mehr, und wir könnten den ganzen Tag damit verbringen, diese eine Frage zu beantworten.
Red.: Eure Pläne für die Zukunft: Wann werden Tattoo-Fans euch hier in Deutschland sehen und erleben können? Gibt es Pläne für Conventions oder Termine als Gast-Tätowierer?
Bloody Blue: In Zukunft wollen wir ein wenig mehr auf Tattoo-Messen gehen, den Leuten zeigen, was wir so machen, und sehen, was sie darüber denken. In diesem Jahr werden wir auf der Berlin-Convention zu sehen sein, und im kommenden Jahr auch zur Frankfurt-Messe kommen. Tatsache ist aber: Wir haben noch nie ein Angebot als Gasttätowierer erhalten, weder aus Deutschland, noch von sonst woher. Aber wenn dies einmal anders sein sollte, wären bestimmt alle sehr glücklich über einen kleinen Tapetenwechsel. Das wäre wieder einmal eine Gelegenheit, neue Erfahrungen zu sammeln.

Ein Studio wie Bloody Blue in Prag findet man mit Sicherheit nicht alle Tage und schon gar nicht an jeder beliebigen Straßenecke: ausgefallene Kunstwerke, individuell gestaltet und mit einem hohen Maß an Perfektion unter die Haut gebracht. Besonders erfreulich ist natürlich, daß sich die Crew bereits dazu entschlossen hat, den Tattoo-Gefilden in Deutschland den einen oder anderen Besuch abzustatten. Viele werden es wohl kaum erwarten können, diese Künstler live in Aktion zu sehen, und für ebensoviele ist dies wieder ein besonders guter Grund, auf große Top-Conventions wie zum Beispiel Berlin oder Frankfurt zu gehen. Um ehrlich zu sein – uns geht es ganz genauso. «

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