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Biomechanik Bedeutung

Biomechanik – was ist das eigentlich? Wie wir schon bei der Vorbereitung zu diesem Artikel feststellen mußten, ist der Begriff sehr verschiedenartig besetzt und daher offen für Fehlinterpretationen. Wir wollen daher vorab klären, worum es hier geht, damit keine Mißverständnisse entstehen.

Rein wissenschaftlich betrachtet ist die Biomechanik eigentlich die Lehre von der biologischen Fortbewegung, sie untersucht also die Vorgänge innerhalb organischer Bewegungsapparate: Wie genau funktionieren Muskeln, wie bewegen sie sich und den Körper unter der Haut im Zusammenspiel mit dem Skelett, also den Gelenken, den stützenden Knochen usw.
In der SF-Literatur (und diversen anderen Bereichen) versteht man darunter aber auch die Verbindung zwischen Mensch und Maschine, also den Einsatz künstlicher (meist mechanischer) Ersatz- oder Ergänzungsteile am oder im menschlichen Körper.
Bei der Tätowierung schließlich spricht man von Biomechanik, wenn das Tattoo zeigt, was generell unter der Haut vor sich geht. Das kann zwar auch die Darstellung von Muskelapparaten sein, aber wesentlich häufiger ist es die Verbindung des Menschen mit etwas anderem: Oft wächst scheinbar etwas Fremdes unter der Haut oder bricht daraus hervor. Die Strukturen sind mal metallisch, mal Giger-artig organisch, mal sieht man ganze Gestalten. All dies ist für den Tätowierer biomechanisch, wenn auch meist gerade die Verbindung zwischen Mensch und Maschine im Vordergrund der Biomechanik steht.

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Um genau zu verstehen, welche Faszination biomechanische Tätowierungen überhaupt ausüben, haben wir uns mit Adam, einem Fan dieser außergewöhnlichen Stilrichtung, unterhalten.
„Meine tiefsten Wurzeln liegen wohl ­darin, daß ich, seit ich mich erinnern kann, ein SciFi-Fan bin, wobei ich hier nicht von Star Trek o.ä. rede, sondern von klassischer SF-Literatur. Als ich angefangen habe, diese Bücher zu verschlingen, hat sich ziemlich schnell ein Thema herauskristallisiert, das mich von Anfang an fasziniert hat, und zwar die Frage: Was ist eigentlich menschlich? Ein Meister dieser Richtung war Phillip K. Dick, der sich in vielen seiner Bücher damit beschäftigt hat, herauszufinden, was aus einem Menschen einen Menschen macht. Sein bekanntestes Werk, „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ lieferte die Vorlage zum Film „Blade Runner“. Seine Storys haben thematisiert, daß das Künstliche oft menschlicher ist als wir selbst. Wir leben in einer Zeit von Implantaten (medizinischen und kosmetischen) und Verpflanzungen, und irgendwann ist die Medizin soweit, daß alles Mögliche verpflanzt und ersetzt wird. Wie würde die Gesellschaft reagieren, wenn ein menschliches Gehirn in einem mechanischen Körper steckt? Oder wenn unser Erinnerungsvermögen, unser gesamtes Gehirn, irgendwo „abgespeichert“ und in einen anderen Körper „eingespielt“ werden könnte? Bis wann bleiben wir noch wir selbst und wann sind wir ein Etwas?
Und wo das Wort Biomechanik fällt, fällt auch der Name Giger. Seine Werke haben mich von Anfang an fasziniert. Er war für mich der Meister der Verbindung von Bio und Mechanik. Vor dem Hintergrund der Werke von Dick habe ich auf einmal Gestalten gesehen, die es einfach waren – eine Verbindung zwischen Organik und Mechanik. Die Verbindungen waren so perfekt, daß man sich nicht vorstellen konnte, auf irgendeines der Elemente (egal ob organisch oder mechanisch) zu verzichten. Ihr Wesen bestand darin, daß sie eine Verbindung zwischen Organ und Mechanik waren – zwischen Mensch und Maschine. Neben Giger ist für mich Beksinski der zweite große Meister der Richtung Biomechanik.“
Nun wollten wir natürlich noch wissen, von wem seine biomechanischen Arbeiten stammen und wie alles vonstatten ging.

„Den Arm hat Norman vom Studio Kailitos Way in Duisburg gestochen. Bei mir war es so, daß ich schon immer ein Tattoo aus dem Bereich „Biomechanik“ haben wollte. Ich wollte erst etwas von Giger und habe nach einem Künstler gesucht, der es auch schafft, den (bei Giger entscheidenden) Gesichtsausdruck unter die Haut zu stechen. Es gibt sehr wenige, die auch das gewisse Etwas in den Augen, den gesamten Ausdruck, wiedergeben können. So bin ich nach langem Suchen auf Norman gestoßen. Er sagte dann: ‘Kein Problem, wenn du etwas von Giger haben willst, mach’ ich dir etwas von Giger.’ Ich habe damals schon konkrete Vorstellungen gehabt und sie mit Norman besprochen. Schnell hat sich herausgestellt, daß das Motiv, was ich haben wollte, nicht wirklich gut geeignet war für die Schulter und den Oberarm. Norman hat mir (als Laien) ziemlich detailliert erzählt, wieso und weshalb.
Wie gesagt, ich habe lange nach einem Tätowierer gesucht, bei dem ich mich einfach „wohl und sicher“ gefühlt habe und wollte mich dann auch von Norman tätowieren lassen. Ich fand einfach nur geil, wie er seinen Dämonen, Schädeln und anderen Fratzen eben den gewissen Ausdruck verleiht, oder wie er mit ein paar Schattierungen soviel Dynamik in ein Tattoo bringt. Ich war damals so auf Giger fixiert, daß ich nicht mal auf die Idee gekommen bin, etwas anderes zu wollen. Norman sagte dann, daß er mir selbst etwas entwerfen wollte!
Erst da wurde mir klar, was das eigentlich bedeutet – wieso soll ich eine Kopie unter meiner Haut tragen, wenn ein anderer Künstler bereit ist, etwas ganz neu und nur für mich zu erschaffen? Das, was Norman dann daraus gemacht hat, war für mich einfach nur noch umwerfend. Das Tattoo wird in Zukunft noch erweitert.«

Hinter der perfektionistischen Biomechanik – der Vereinigung von Mensch und Maschine zwecks Aufgabenoptimierung – steckt der Gedanke, daß keine von beiden Seiten perfekt ist und die eine ohne die andere nicht existieren kann. Wann immer das Thema von Maschinen, die sich gegen ihren Schöpfer, den Menschen, erheben, angesprochen wird, finden sich unweigerlich auch Elemente, die verdeutlichen, daß die Maschinen ohne die Menschen eigentlich aufgeschmissen wären bzw. andersherum. In „Terminator 2“ wird John Connor von einem Terminator beschützt, in „Matrix“ lebt das Maschinenimperium von der ­Energie, die menschliche Körper erzeugen.
In der Science Fiction wird auch gerne die Frage nach der Menschlichkeit von Maschinen aufgeworfen, schön zu sehen in der Asimov-Verfilmung „Der 200-Jahre-Mann“ oder in „Wem gehört Data“ (Star Trek-TNG): Inwiefern haben Maschinen, deren Programmierung die Entwicklung von Gefühlen zuläßt, Rechte? Oft wird auch thematisiert, ob wir Menschen nicht letztlich auch komplexe Maschinen sind, wenn auch von der Natur (oder Gott?) entworfen und aus organischem Material konstruiert.

In der hochklassigen Neuauflage des Genre-Klassikers „Battlestar ­Galactica“ wird dieses Thema im Gegensatz zum Original aus den späten Siebzigern perfekt thematisiert: Die Zylonen, von Menschen entwickelte Maschinenwesen, treten in Personalunion als Kinder und fleischgewordenes schlechtes Gewissen der Menschheit auf, das den Mißtrauensantrag gestellt hat und nun Jüngstes Gericht spielt. Während der verzweifelte Überlebenskampf der letzten Menschen tobt, gerät die Frage aller Fragen – was macht uns Menschen menschlich (bzw. menschlicher als die Zylonen)? – immer mehr in den Mittelpunkt und wird z.T. sehr philosophisch ausdiskutiert. Für Fans des Themas Maschinenwesen und Biomechanik ist die neue Serie ein absolutes Muß!
Um noch mehr über das Thema Biomechanik zu erfahren, lohnt sich immer der Gang in eine Bibliothek: Hier findet man nicht nur die Romane und Kurzgeschichten solcher SF-Größen wie Isaac Asimov oder Phillip K. Dick, die sich mit dem Widerspruch zwischen der Vermenschlichung von Maschinen und der mechanisch anmutenden Gefühlskälte des Menschen befaßten, sondern natürlich auch die Werke solcher Biomechaniker wie Giger und Beksinski.

Ein absolutes Muß für jeden Fan der biomechanischen Kunst ist selbstverständlich das Museum von H.R. Giger in der Schweiz. Giger wurde berühmt mit der Schaffung des Alien im gleichnamigen Hollywood-Film. Seine Kunst ist in aller Welt bekannt und sehr beliebt. Hier die Adresse des großen Museums vom verstorbenen Biomechanik-Künstler:
Chateau St. Germain CH-1663, Gruyeres, Switzerland. Via Telefon unter:
+41-026921-2200. Im Internet unter folgender Adresse:www.hrgigermuseum.com

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