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Tattoo-Narben

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Eine vernarbe Haut zu tätowieren ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Da so ein Unterfangen große Erfahrung und bestes Können voraussetzt, gibt es nicht viele Tätowierer, die sich so etwas zutrauen – und Narben auch tatsächlich gekonnt übertätowieren können.

Inhalt:
1. Übertätowieren von vernarbter Haut
2. Das Interview mit Jörg vom Tattoo-Studio Pirates Art of Tattoos aus Borken
3. Tätowieren von Narben-Motiven

1. Übertätowieren von vernarbter Haut

Oft gibt es Menschen, die durch einen Unfall eine vernarbe Haut zurückbehalten haben, sei es durch Verbrennung durch Feuer oder kochende Flüssigkeiten oder durch Schnittwunden. Für die meisten dieser Personen ist die vernarbte Haut ein schlimmer Makel, mit dem sie nicht gerne in der Öffentlichkeit auftreten, sei es in einem Schwimmbad oder im Sommer mit kurzen Ärmeln oder kurzen Hosen. Eine Tätowierung über diese Narben kann die Narbe selbst sehr gut in den Hintergrund rücken lassen, sodass sich die tätowierten Personen nicht mehr so angestarrt und damit sicherer fühlen.

Im Tattoo Magazin Tattoo-Spirit Ausgabe 29 ab Seite 42 wurde zu diesem Thema folgender Text veröffentlicht:

Für viele Tattoo-Fans sind Tätowierer wie Jörg die letzte Hoffnung auf ein schönes Tattoo und gleichzeitig auf ein normales Leben, trotz manchmal schwersten entstellenden Narben. Redakteuer Arno hat mit Jörg gesprochen:

Vernarbtes Gewebe zu tätowieren ist ja so ein Thema für sich. Neben einer Menge Erfahrung braucht man meist auch eine gehörige Portion Geduld. Und trotz aller Anstrengungen wird man in der Regel nicht so ein Ergebnis erzielen, wie es bei gesunder Haut der Fall ist. Dass solche Arbeiten normalerweise nicht gerade zu den Lieblingsaufgaben eines Tätowierers zählen, ist also eigentlich kein Wunder. Es gibt aber auch welche, die sich gerade auf solche Problemfälle spezialisiert haben. Einer dieser Spezialisten ist Jörg aka Pirate (Pirates Art of Tattoos aus Borken). Naja, wer soll sich auch schon besser mit Narben auskennen, als so ein oller Freibeuter?! Wie er dazu kam, was er daran besonders mag und einiges Interessante mehr verriet uns Jörg in einem aufschlussreichen Interview:

2. Das Interview mit Jörg vom Tattoo-Studio Pirates Art of Tattoos aus Borken

TS: Jörg, über Narben zu tätowieren gehört ja nicht gerade zu den angenehmsten Seiten in Deinem Beruf. Du machst das aber trotzdem recht gern. Warum?
Jörg: Ich würde nicht unbedingt sagen, dass dies zu den unangenehmen Dingen in meinem Beruf zählt. Ich glaube, das muss man anders sehen. Sicher gibt es Schöneres als über vernarbtes Gewebe zu tätowieren. Aber wie immer steht der Kunde im Mittelpunkt, und der hat meist ein großes Problem mit seiner Narbe. Und wenn ich dem Kunden mit meiner Arbeit behilflich sein kann und ihn damit glücklich mache, dann macht mich das wiederum glücklich. So gesehen gehört das Verschönern einer mehr oder weniger unansehnlichen Hautstelle also eher zu den schönen Seiten meines Berufs.
TS: Mittlerweile giltst Du als Spezialist auf diesem Gebiet. Wie kam es überhaupt dazu?
Jörg: Das ist leider eine sehr traurige Geschichte: Die erste Narbe, die ich tätowiert hatte, war die vom Niko, der zuvor einen sehr schweren Autounfall hatte und bereits klinisch tot war. Er war der Einzige im Fahrzeug, der von den Ärzten reanimiert werden konnte, die anderen drei haben es nicht geschafft. Er hat seitdem eine riesige Narbe in V-Form über der Bauchdecke. Aber er wollte die Narbe nicht etwa unter einer Tätowierung verstecken, sondern sie ganz im Gegenteil noch mehr hervorheben. Er wollte den Schmerz, den er empfunden hatte, und das ganze Ereignis niemals vergessen. Wir haben dann nicht nur die Narbe selbst betont, sondern auch die Nähte, wie sie damals verlaufen sind, exakt nachgebildet. Wie gesagt, eine sehr emotionale Geschichte. Nach und nach sprach sich diese Sache herum und es kamen dann immer mehr Leute mit Narben zu mir. Und so ist das Ganze entstanden.
TS: Die Narben, über die wir hier sprechen, sind ja Schnitt- und Brandnarben, die über-tätowiert werden sollen. Welche Unterschiede gibt es da, bzw, welche sind schwerer zu tätowieren?
Jörg: Das kommt immer darauf an. Meistens sind großflächige Brandnarben einfacher zu tätowieren, da sie in der Regel ebener und nicht wulstig sind. Wenn die Verbrennungen aber sehr schwer waren und die Narben mit so kleinen Kratern durchzogen sind, wird es wiederum sehr schwierig. So wie bei einer Kundin von mir, die ich seit langer Zeit immer wieder tätowiere, um ihre Narben zu überdecken. Sie hat sogar nicht nur Brandnarben, sondern darunter auch noch Schnittnarben. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass du die Farbe nicht einfach wegwischen kannst, sondern sie ständig ausspülen musst, weil sie in diesen Kratern hängen bleibt. Das dauert natürlich seine Zeit. Viel schwieriger aber ist es z.B. eine Linie zu ziehen, die hinterher auch richtig gerade wirkt. Dafür musst du mit einer Hand die Haut ständig ziehen und dabei auch ständig überlegen, wie genau du an dieser Stelle ziehen musst. Gleichzeitig musst du mit der Maschine mal drücken oder auch mal schieben. So, wie du es gerade brauchst. Das kann ich dir aber so nicht erklären, das müsste ich dir schon zeigen. Dafür braucht man Erfahrung und auch ein gewisses Gespür, ansonsten sieht die Linie hinterher eher aus wie eine Skala, auf der man einzelne Punkte miteinander verbunden hat. Generell kann man aber sagen, dass fast alle Narben schwierig zu tätowieren sind.
TS: Gibt es denn auch Narben, die überhaupt nicht zu tätowieren sind? Und ist das auch medizinisch immer unbedenklich?
Jörg: Natürlich gibt es die auch, ist aber eher selten, z.B. wenn die Narbe wie eine Falte nach innen gerichtet ist. Doch selbst solche Narben kann man unter Umständen noch in ein Motiv integrieren. Ansonsten sollte man immer darauf achten, dass die Narbe bereits vollständig abgeheilt ist. Es könnte ja sein, dass es im Nachhinein zu Komplikationen kommt und sie noch mal geöffnet werden muss. Außerdem kann sich die Narbe in der Heilphase noch ein wenig zusammenziehen und dann würden evtl. z.B. die Linien nicht mehr stimmen. Ich tätowiere jedenfalls keine Narben, die sich noch in der Heilphase befinden. Aus medizinischer Sicht sehe ich keine Probleme, da es sich ja lediglich um abgestorbenes Gewebe handelt und nicht etwa um ein Muttermal. Kein anständiger Tätowierer würde jemals über ein Muttermal tätowieren. Das kann man aber nicht mit Narben vergleichen.
TS: Eine Narbe in ein Motiv zu integrieren, ist ein gutes Stichwort. Kannst Du uns ein Beispiel dafür geben?
Jörg: Ja, man muss ja nicht immer über die Narbe tätowieren. Manchmal ist es schöner, sie in das Motiv mit einzubeziehen. Ich hatte mal eine Kundin, die todunglücklich mit ihrer Blinddarmnarbe war. Eigentlich wollte sie die mit einem Skorpion überdecken, was auch funktioniert hätte, nur nicht so gut. Letztendlich haben wir den Skorpion dann aber neben die Narbe gesetzt und das Ganze sieht nun aus, als würde der Skorpion ihre Seite aufschneiden. Die Frau war unglaublich glücklich mit dem Ergebnis, obwohl die Narbe jetzt noch viel deutlicher zu sehen war. Aber so ist sie ein markanter Bestandteil des Motivs geworden. Es kommt halt immer darauf an, was man aus der jeweiligen Situation macht.

Abschließend kann man wohl sagen, dass wegen einer Narbe noch lange nicht alles verloren ist. Was man daraus macht, hängt aber immer vom Einzelfall ab. Wichtig ist sicherlich, dass man sich für solche Fälle einen Tätowierer sucht, der bereits einige Erfahrungen auf diesem Gebiet hat. Wunder darf man allerdings nicht erwarten. Auch eine gut abgedeckte Narbe wird bei genauer Betrachtung immer noch etwas sichtbar bleiben, sie steht aber nicht mehr im Fokus des Betrachters, der nun zuerst die Tätowierung wahrnimmt und nicht mehr die Narbe.

Dank noch mal an Jörg für die Erklärungen.

3. Tätowieren von Narben-Motiven

Natürlich kann man Narben Tätowieren, dort, wo bisher heile Haut war. Man wird es kaum glauben, aber diese Art von Tätowierungen ist relativ häufig zu finden.

Sich Narben tätowieren zu lassen gehört zwar auch zum sogenannten Narben-Design, ist aber eher das Gegenstück zu der sogenannten Skarifikation. Dieser Fachausdruck bedeutet das aufschneiden der Haut, damit sich durch diese Wunde echte Narben bilden. Damit diese in einer 3D-Ansicht wulstig werden, muß sie dazu bringen, sich zu entzünden.

Mit einem Narben-Tatoo-Motiv können allerdings Extrem-Narben dargestellt werden, die durch eine Skarifikation nicht erreicht werden können. Da gibt es Motive, die aussehen, als sei der komplette Bauch aufgeschnitten worden und mit groben Stichen und ganz dickem Garn wieder vernäht worden. Manche Tätowierungen sehen aus, als wäre die Haut aufgerissen und nach außen umgeklappt. Man denke dabei nur an die Möglichkeiten der Biomechanik-Tattoos, bei denen man den Eindruck bekommt, weit in den Körper hineinschauen zu können. Ähnliche Möglichkeiten in allen nur denkbaren Varianten ist können auch mit tätowierten Narben erreicht werden.

Viele solcher Narben-Motive kann man in den Tattoo-Fach-Magazinen Tattoo-Spirit, Tattoo-Scout und Tattoo-Studio finden.

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