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Ein Tattoograph ist ein Tätowierer mit erweiterten Fähigkeiten. Wenn ein Kunde ein neues Motiv wünscht, kann ein Tattographen allein aus den Vorstellungen des Kunden dafür in kürzester Zeit eine außergewöhnliche Tattoo-Vorlage erstellen, die dann auch zu dem Kunden passt.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Berufsbild eines Tätowierers gewandelt; er ist nicht mehr nur Tattoo Künstler der mit seiner Tätowiermaschine ausschließlich Bilder bzw. Tattoo-Motive nach Vorlagen unter die Haut bringt, er ist inzwischen Maler – Typenberater – Designer und immer auch ein wenig Psychologe.
Inhalt
1. Der Tattograph und seine Arbeit
2. Interview mit Mirko Krajewski
3. Tattoograph Robby Welke in einem Bericht im Tattoo Spirit
1. Der Tattograph und seine Arbeit
Darüber hinaus gibt es inzwischen noch den Tattoographen, den noch weitere ausgeprägte Fähigkeiten auszeichnen. In erster Linie ist es natürlich das zeichnerische Talent, das einen Tattoographen ausmacht. Tätowierer dieser Kategorie sind in der Lage, zusammen mit dem Kunden eine bloße Motiv-Idee innerhalb kürzester Zeit zu einer außergewöhnlichen Tattoo-Vorlage reifen zu lassen. Außerdem wissen sie auf Grund ihrer langen Tattoo Erfahrung, welche Motive überhaupt auf der Haut umsetzbar sind.
Die Schreibweise kann Tattoograph oder Tattoograf sein. Diese neuen Bezeichnungen wurden erstmals im Kruhm-Verlag in der Tattoo-Zeitschrift „Tattoo-Spirit“ Nr. 24 veröffentlicht. Siehe nachstehender Bericht:
Spezielle Tattoo-Motiv-Wünsche erfordern spezielle Maßnahmen – mit diesem einen Satz erklärt Tattoograph Mirko Krajewski seinen Wirkungsbereich in der europäischen Tattoo-Szene. Er gestaltet Flash Vorlagen für die professionellen Tätowierer und hat sich damit über weite Grenzen einen ausgezeichneten Namen gemacht.
Die Arbeit eines Tattoographen ist nicht weniger aufwändig und anstrengend als die eines Tätowierers. Auch Mirko muss sich, genauso wie der farbenfrohe Nadelakrobat, an den Wünschen des jeweiligen Kunden orientieren, nur dass in diesem Fall für Mirko die Tätowierer die Kunden sind.
Über die Jahre hinweg hat Mirko ein Gespür dafür entwickelt, was den Tattoo Fans und natürlich auch dem Tattoo Profi gefällt und was nicht. Seine Arbeiten weisen einen ganz speziellen, ganz persönlichen Stil auf, und oftmals ist ein »echter Krajewski« schon auf den ersten Blick zu erkennen. Ebenso wie bei jedem anderen Künstler auch, steht bei dem Tattoographen Mirko eine lange und interessante Geschichte hinter dem, was seine Tattoo-Vorlagen heute so unglaublich beliebt macht. Wir haben uns ein wenig mit ihm unterhalten, um für euch zu erfahren, was Mirko Krajewski zu einem waschechten Tattoographen macht.
2. Interview mit Mirko Krajewski
Red.: Seit wann zeichnest du professionell, und wie bist du dazu gekommen, speziell Tattoo-Vorlagen zu erstellen?
Mirko: Angefangen hat es 1991 mit dem Kauf des ersten Tattoomagazins. Dann folgten erste Selbstversuche mit einer abenteuerlichen Eigenbaumaschine – ging natürlich schief. Das Zeichnen und Verkaufen von Tattoovorlagen war allgemein nicht weit entwickelt, entsprechend blauäugig konnte man los-experimentieren. Während meines Zivildienstes fiel mir ein Katalog der Gebrüder Murschetz in die Hände – Gong!!! So-was ging also auch? Zwischen Windeln wechseln und Brei füttern ging es dann los.
Red.: Du wirst ja mit Sicherheit nicht morgens aufgewacht und ein in der Tattoo-Szene sehr gefragter Tattoograph gewesen sein. Wie ist dein Name in der Szene zu dem geworden, was er heute ist?
Mirko: Anfangs schickte ich kleine Faltprospekte an Tattoo-Studios, deren Adressen ich auftreiben konnte (was ich auch heute noch tue). Die Resonanz war gut, aber im Verhältnis zu den wie Pilze aus dem Boden schießenden Tattoostudios eher bescheiden. Also rein ins Auto und auf Werbetour. Ich hatte dafür Flashsets hergestellt. Viele Monate lang irrten mein Kumpels und ich quer durch die Republik und stellten die Flashsets vor. Danach war erstmals Vertrauen seitens der Tätowierer da, der Rest lag nun an mir.
Einen eher unerfreulichen Werbeeffekt lösten auch diverse Raubkopierer aus, natürlich siehst du dann kein Geld für deine Arbeit, aber die Flashs lagen in etlichen Läden aus und fanden ordentlich Anklang. Mittlerweile habe ich mich da abgesichert; durch langjährigen Kontakt zu verschiedenen Tattoo-Studios verfüge ich über ein schnelles Infonetz, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Red.: Bei einem Überblick über deine Arbeiten erkennt man, dass du dich sehr ausführlich und gerne mit Wikinger-Tattoos, Drachen- und Dämonen-Motiven beschäftigst. Was steckt dahinter, warum zeichnest du diese Motivarten besonders gerne?
Mirko: Diese Tattoo-Motive sind einfach ein nie endendes, faszinierendes Thema, welches speziell die Menschen Europas schon aus historisch/mythologischer Hinsicht fesselt. Religionen, Werte und Geschichte wurden von Einzelnen erzählt, festgelegt und chronisiert; in dem, was wir zu wissen glauben, stützen wir uns auf die Fakten Einzelner, damals wie heute. Was da nach kritischem Hinterfragen übrig bleibt, ist ein riesiger Spielraum für Spekulation und Fantasie, in dem man in unserer Branche beliebig abschweifen kann. Dabei ist es völlig egal, ob ein Drache drei oder fünf Klauen hat, da ich persönlich niemanden kenne, der einen lebenden Drachen gesehen hätte und Bescheid wüsste …
Red.: Als Tattoograph bist du natürlich dazu „verdammt“, Arbeiten zu erstellen, die auch tätowierbar sind; deinen technischen Umsetzungen sind daher natürlich Grenzen gesetzt, und du kannst deiner Feder keinen freien Lauf lassen. Wie gehst du als Tattoograph bei neuen Vorlagen vor? Wann ist etwas auf die Haut übertragbar und wann nicht? Handelt es sich hier um Erfahrungswerte oder unterliegen deine Arbeiten strengen Regeln?
Mirko: Das kommt immer auf die Art der aktuellen Tattoo-Motive an, meistens gehe ich klassisch vor: Zuerst wird natürlich skizziert; wenn alles stimmt, zeichne ich Outlines durch, welche anschließend aus-schattiert werden. Dazu verwende ich ausschließlich weiche Bleistifte, für die farbigen Parts einfache Buntstifte. In letzter Zeit nehme ich auch gern Aquarellstifte; damit werden die Farbverläufe weicher. Außerdem stehe ich mehr auf dezentere Farben; auf den meisten Tattoo-Vorlagen sind die Farben recht knallig, werden aber in der Haut nach nicht allzu langer Zeit blasser, und wenn man die Farbe der Vorlage dezenter wählt, hat der Kunde eine etwas realistischere Vorstellung vom späteren Farbergebnis in der Haut. Die Tätowierbarkeit ist natürlich relativ und hängt hauptsächlich von der Umsetzung durch den Tätowierer ab, die Tattoo-Künstler sehen ja selbst, ob mein Stil für sie tätowierbar ist; wer meint ‘nein’, der kauft sie erst gar nicht. Von daher gab es nie Probleme, ansonsten kommen schon ab und zu mal einige Kritiken, aber wenn die gleichen Leute trotzdem weiterhin seit Jahren zu uns halten, kann’s so schlimm nicht sein…
Red.: Wenn du dir ein einziges Motiv deiner Sets aussuchen müsstest, welches würdest du wählen?
Mirko: Das ist immer sehr schwierig; wenn man selbst so viel zeichnet, wartet man immer auf das nächste, das einem am besten gefällt (grinst).
Red.: Erstellst du auch Tattoo-Vorlagen auf Bestellung oder produzierst du in der Regel sogenannte Konzept-Sets?
Mirko: Ich zeichne nur sogenannte Konzept-Sets. Klar habe ich schon einzelne Entwürfe für Stammkunden oder Kumpels gemacht, aber eher aus Gefälligkeit als aus Geschäftssinn. Ich bekomme zwar auch häufig Anfragen, doch die meisten kapieren nicht, dass ein aufwendiger Flash wenigstens halb so lang dauert wie die Tätowierung des-selbigen und seinen Preis hat; es gibt echt Leute, die glauben, ein komplettes Rückenbild gibt’s für 50,- Eumel, und da das schon irgendwie frech ist, sind die Verhandlungen meinerseits meistens rasch beendet.
Red.: Was war der wohl ungewöhnlichste Motivwunsch, den dir gegenüber jemand einmal geäußert hat?
Mirko: Abgedrehtes Zeug geht mir genug durch den Kopf, die Frage ist nur, ob das jemand sehen will! Spaß beiseite, die meisten Tätowierer mögen doch eher traditionelle Sachen. Verrückte Motive sind natürlich geil zu zeichnen, aber seitens der Tätowierer meist schwer an ihre Kundschaft zu verkaufen. Leute, die auf Besonderes stehen und nichts im Riesenangebot der Studios finden, haben meistens eigene Vorstellungen und setzen diese mit ihrem Tätowierer um. Spezielle Wünsche erfordern halt spezielle Maßnahmen …
Red.: Deinen Arbeiten kann man zweifelsohne ansehen, dass sie sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Wie lange benötigst du von der bloßen Idee bis hin zu einem fertigen Motiv, oder wie reift eine Vorlage bei dir zum finalen Motiv?
Mirko: Kommt natürlich auf verschiedene Faktoren an; Größe, Farbanteil oder Komplexität spielen eine Rolle. Alles in allem brauche ich für zehn Sheets vom Entwurf bis zum Druck ca.drei Wochen; das letzte Set “Northern Light“ beispielsweise hat gute zwei Monate gedauert.
Red.: Welche Künstler haben dich deiner Meinung nach am meisten beeinflusst?
Mirko: Seitens der Zeichner natürlich die beiden Murschetz-Brüder. Nicht so sehr vom Stil her, eher der Vielfalt, Kreativität und des Charmes ihrer Arbeiten wegen. Natürlich H.R.Giger und Paul Booth, an beiden kommt man in unserer Branche nicht vorbei, ohne sich zu verneigen. Gerade Booth hat die dunkle Seite eines jeden Tattoo Fans berührt. Und seit einigen Jahren natürlich der Michelangelo der Szene, R. Hernandez. Seine Arbeiten kennt man, und ihr wisst, was ich meine. Die meisten Inspirationen kommen jedoch aus einem selbst, denn man sollte sich hüten, nur andere Künstler zu imitieren. Ohne eigene Inspirationen kein eigener Stil.
Red.: Tätowierungen entwickeln sich in der heutigen Zeit unglaublich schnell, und auch deine Arbeiten scheinen sich mit der Zeit sehr stark gewandelt zu haben. Wohin geht die Reise bezüglich Tätowierungen und Tattoo-Vorlagen?
Mirko: Das Tätowieren ist eine alte Kunst, die in der neuen Zeit zum Modetrend geworden ist. Ich glaube, der Trend geht dahin, dass weniger Kunden die Studios besuchen, sich dafür aber größere und vor allem durchdachtere Arbeiten stechen lassen; Menschen halt, die sich mit ihrem Kunstwerk identifizieren können. Die Zeiten der Spontandummheiten sind vorbei (siehe Arschgeweih). Ich rechne mit einer Verkleinerung der Szene, jedoch bei steigender Qualität. Jene Studios, die gute Arbeit leisten, werden sich auch in Zukunft durchsetzen und ihre Kundschaft haben. Dazu versuche ich meinen Teil beizutragen. Motivmäßig wird es wohl weitergehen wie bisher. Es wird immer Liebhaber verschiedener Stilrichtungen geben, jedoch glaube ich, dass der Trend zu traditionellen Arbeiten hinführt.
Gerade in Zeiten existenzieller Ängste und wirtschaftlicher Nöte kehren die Menschen gern zu alten Werten zurück. Ob das gut oder schlecht ist oder Einfluss auf die Welt des Tätowierens hat, wird sich zeigen.
Ich jedenfalls bin bereit.
Auf Mirkos Internetseite gibt es unzählige und teilweise spektakuläre Vorlagen. Sowohl für den Fan als natürlich für den Profi eine absolute Pflichtseite, die einfach Lust auf mehr macht. Unter der Adresse www.krajewski-art.de findet man alle weiteren wichtigen Informationen über den außergewöhnlichen Tattoographen Mirko Krajewski.
Im Tattoo Magazin Tattoo Spirit Ausgabe 25 ab Seite 66 wurde folgender Text mit vielen Bildern veröffentlicht:
Vorlagenkünstler in Wort und Bild – Der Tattoograph (Copyright) Die Zeichenkünstler der Tattoo-Szene.
Geschrieben Tattoograph oder Tattoograf.
3. Tattoograph Robby Welke in einem Bericht im Tattoo Spirit
Am Beispiel von Tätowierer bzw. Tattoographen Robby Welke aus dem Berliner Studio Illustration in Skin, wird deutlich, welche Eigenschaften der Tattoograph mit sich bringt.
In erster Linie ist es natürlich das zeichnerische Talent, das einen Tattoographen ausmacht. Ohne diese Fertigkeit kann niemand ein Tattoograph werden – nicht in zehn Leben. Hinzu kommt aber noch einiges mehr. Wie oben beschrieben muss ein Tattoograph neben dem Talent auch noch so viel überdurchschnittliche Fantasie haben, im Handumdrehen aus einer Idee mit einigen wenigen Schwerpunkten ein eigenständiges Motiv zu entwickeln. Er muss gleichzeitig das Gefühl haben, welche Stil Richtung dem Kunden gefallen könnte, bzw. in welcher Art und Weise er das Motiv dann umsetzt, ob als Comic oder als Realistik Bild oder ob es in den Bereich Fantasy gehören muss. Gleichzeitig muss er in seine Motiv-Überlegungen einfließen lassen, ob, wo und wie das geplante Bild überhaupt auf der Haut umzusetzen ist. Denn was nützt einem das schönste Motiv, wenn es aufgrund der individuellen Anatomie nicht passt. Ein Tattoograph entwickelt für so etwas ein gewisses Auge und weiß daher schon bevor er zum Beispiel für einen Kunden eine gesonderte Vorlage erstellt, worauf er besonders achten muß.
Robby Welke ist nicht nur ein erstklassiger Nadelakrobat, den wir immer wieder sehr gerne als Gast in unserem Tattoo-Spirit begrüßen, sondern zudem ein sehr vielseitiger Künstler. In seinem Berliner Studio, das er zusammen mit Ehefrau Alex betreibt, geben sich in regelmäßigen Abständen die einen oder anderen Gasttätowierer die Klinke in die Hand. Unter diesen sind Künstler wie etwa Boris aus Ungarn, mit dem Robby eine langjährige Freundachaft verbindet. Robby Welke findet man regelmäßig als Aussteller auf diversen Conventions – z.B. auch auf der größten Messe in Frankfurt am Main.
Tattoographen wie Robby fallen in erster Linie durch ihr akribisches und perfektionsorientiertes Arbeiten auf. Wirft man einen Blick auf die studioeigene Homepage von Illustration in Skin (www.tattooist.de) wird beim Betrachten sowohl der Tattoo- als auch der Zeichenarbeiten schnell deutlich, dass man Robby zu recht als Tattoograph bezeichnet.
Ein Tattoograph muss also nicht nur ein reiner Vorlagen Zeichner sein, so wie Mirko Krajewski. In den meisten Fällen handelt es sich um einen professionellen Tätowierer, der das Zeichnen als Mittel der Übung und der Verbesserung nutzt. Denn eines ist schon oft geschrieben worden – ein Tätowierer lernt niemals aus und ist ständig auf der Suche nach neuer Inspiration.
Alle Informationen über den Tattoographen Robby Welke findet man unter folgender Adresse: Illustration in Skin, Schlegelstraße 21, 10115 Berlin, Tel.: 030-24035013, im Internet unter: www.tattooist.de