Tätowierer Paul Talbot ist schon seit geraumer Zeit ein bekannter Name in der internationalen Tattoo- und Kunst-Szene. Seine Arbeiten faszinieren durch extrem akkurate und hochwertige Tattoo-Elemente, vereint in unglaublich fantasievollen Kollagen. Sein im Art Brut angesiedelter Stil erzählt in eindrucksvollen, kraftvollen Bildern, überaus persönliche Geschichten.
Pauls Faszination für Tattoos begann bereits in den 80ern. In seiner Kindheit gab es viele Süßigkeiten und Comichefte mit Tattoostickern. „Ich glaube, da begann bereits meine Liebe für Tattoos.“ so Paul. „Paul Stanley von der Band Kiss war mein absoluter Held und er hatte dieses kleine Rosen-Tattoo auf dem Arm. Ich glaube so fing alles an.“ Paul Talbot stammt aus einer kleinen Marktstadt in den Midlands. Seine erste Erfahrung mit einem Tattoostudio hatte er direkt in der Nachbarschaft, in der er aufwuchs. Dort gab es einen kleinen Laden, von Bikern geführt, mit den typischen A4 Flashsets an der Wand und den verqualmten kleinen Hinterzimmern. Sein bester Freund bat ihn um ein Design für ein Tattoo. Paul war in seinem Bekanntenkreis dafür bekannt, derjenige zu sein, der am besten zeichnen konnte. Als Paul mit seinem Freund das Tattoo-Design dem Tätowierer gab, fragte dieser erstaunt, ob er das Motiv angefertigt hätte. In eben diesem Studio lernte Paul dann die Grundlagen des Tätowierhandwerks.
Auch heute noch zählt das Zeichnen zu einer der elementaren Beschäftigungen von Paul. In der Vergangenheit nahm bei ihm der Anteil an rein digitalen Designs immer mehr zu und so versucht er, manchmal nur zur Entspannung, die grundsätzliche Handarbeit durch das Anfertigen von Sketches mit Stift und Marker, nach wie vor im Auge zu behalten. Seine Motive entstehen meist mit einem Konzept, manchmal mit einem einzigen Wort oder einer Phrase, die er mit seinen Kunden bespricht. Ist die eigentliche Idee für ein Tattoo erst einmal geboren, beginnt Paul mit der Auswahl der einzelnen Elemente, die er für die spätere Tattoo-Kollage verwenden möchte. Paul Talbot erstellt mehr als 200 individuelle Großtattoos pro Jahr, kleinere und alltägliche Motive nicht mitgerechnet. „Da kommt so manch einer schnell an die Grenzen der eigenen Kreativität. Um hier nicht in Wiederholungen zu verfallen, erlaube ich es mir, mich von wirklich allem um mich herum inspirieren zu lassen. Was mir ins Auge fällt versuche ich zu fokussieren und als Element für meine Designs zu interpretieren.
Tattoo-Spirit: Was ist deiner Meinung nach das Besondere an Tätowierungen?
Paul: Ich denke, dass Tattoos deshalb zu den einflussreichsten Kunstformen überhaupt zählen, weil sich die Ikonographie im ständigen Wandel befindet. Über die Jahrzehnte haben Tätowierer immer auch die Gesellschaft und die sozialen Aspekte und Probleme mit in ihre Kunst einbezogen. So wurden Tattoos immer ein Abbild der Kultur, egal ob sich die Tattoo-Künstler dessen bewusst waren oder nicht. Ich kann nicht verleugnen ein kleiner comiclesender, Heavy-Metal Junge aus Mittelengland zu sein. Meine Kirche ist das Einkaufszentrum, meine Idole sind alle volltätowiert und meine Ikonen sind die neonfarbenen Firmenlogos die man in der Nacht an den Rändern der Autobahnen sieht. Ich bin ein Kind meiner Zeit, ist es also ein Wunder, dass meine Designs auch aus dem 20. Jahrhundert stammen und nicht aus längst vergangener Zeit?
Tattoo-Spirit: Wie würde für dich ein perfekter Tag aussehen?
Paul: Aufwachen, ein paar Bier trinken (denn in einer perfekten Welt machen sie mich nicht dick), ein paar Zigaretten rauchen (denn in einer perfekten Welt bringen die mich nicht um), mit meinem Motorrad ohne Helm um die Häuser ziehen, dann in einem unglaublichen Sonnenlicht auf einer perfekten Strasse zu meinem Studio fahren und dann – wahrscheinlich – einen ganz normalen Tag haben. Am Abend ginge es zum Strand, der dann natürlich direkt neben dem Studio liegen würde. Dort würde ich den Tag mit Freunden Margaritas und Bier ausklingen lassen – perfekt!“
Tattoo-Spirit: Was sind für dich die wichtigsten Elemente bei einem Tattoo?
Paul: Alle! Der Erfolg eines Tattoos hängt immer von der Komposition seiner Elemente ab. Man spricht auch von der Balance eines Motives, der Balance der Farben, des Kontrastes und bei grafiklastigen Motiven, die richtige Verwendung von Freiflächen, dem so genannten Negativ Space. Alle diese Elemente verlangen ein Gleichgewicht und sind von großer Bedeutung.
Tattoo-Spirit: Wer inspiriert dich?
Paul: Am meisten inspirieren mich Designer, aber auch Musiker. Carson, Brody, Emigre, The Designers Republic, Kate Bush, Sonic Youth, The Supersuckers, Kiss, etc.
Tattoo-Spirit: Was ist dein Rat an zukünftige und aufstrebende Tätowierer?
Paul: Arbeite hart, sei stolz auf das, was du tust, jage nie dem Geld hinterher – immer nur der Kunst.